Altes Schulhaus | Milchhäusle | Viehwaage
Übersicht der Tafeln im Ortskern
Der Geschichtliche Rundgang Gerichtstetten ist eine interessante Möglichkeit, unseren Ort zu entdecken und zu erleben. Vorbei an 16 Stationen spazieren Sie entlang der Geschichte von Gerichtstetten und erfahren viele interessante Hintergründe über das Arbeiten, Leben und Wohnen in früheren Zeiten. Sie befinden sich hier an der dreizehneten Station "Altes Schulhaus, Milchhäusle und Viehwaage".
ALTES SCHULHAUS | MILCHHÄUSLE | VIEHWAAGE
Als auch das zweite Schulhaus am heutigen Dorfplatz zu eng wurde, ließ die Gemeinde 1834 auf einem ehemaligen Obstgarten links vom Milchhäusle ein drittes, einstöckiges Schulhaus mit neuem Ratszimmer und Scheune errichten. Der Brunnen neben dem Schulgebäude und das Fischersbrünnle, das nur wenige Meter entfernt in der Brunnengasse stand, wurden von einer Quelle am Brunnenberg gespeist. Bis zum Bau der Wasserleitung im Jahr 1896 wurden die zwei Brunnen von allen Nachbarn eifrig genutzt, um Wasser zu holen und das Vieh zu tränken. Die Wasserleitung bestand aus ausgehöhlten Holzstämmen. Das war zur damaligen Zeit eine Meisterleistung, mussten doch die einzelnen Stämme zunächst mit einem Bohrlöffel ausgehöhlt werden, ehe dann die fertigen Holzrohre mit einer Muffe aus Metall verbunden wurden. Mit der Sanierung der Brunnengasse wurde das Fischersbrünnle stillgelegt, doch die alte Brunnensäule findet heute am Brunnen beim Feuerwehrhaus wieder Verwendung. Das dritte Schulhaus bestand schon fast
70 Jahre als eine Ortsbereisung des Bezirksrat ergab, dass es den Anforderungen und Standards der damaligen Zeit nicht mehr genügte. Der Bezirksrat machte einen Neubau zur Auflage und so zogen Schul- und Rathaus 1900 erneut um. Das alte Gebäude wurde an Familie Killian verkauft, die darin eine große Waschküche ein- richtete. Weil das Wäschewaschen damals eine anstrengende und zeitintensive Arbeit war, bot die Familie den Ortsansässigen einen Waschdienst an. Das änderte sich, als die Raiffeisengenossenschaft 1959 das Lagerhaus eröffnete und öffentliche Waschmaschinen auf- stellte. So nutzte niemand mehr den Waschdienst im alten Schulhaus und das Gebäude wurde daraufhin abgerissen. Seitdem steht an dieser Stelle ein Wohnhaus.
Überlieferungen zufolge soll es bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Milchsammelstelle im Ort gegeben haben, und zwar bei einem der Bauern im Stall. Später errichtete die Raiffeisengenossenschaft hier ein Milchhäusle. 1950 wurde es an der gleichen Stelle durch einen Neubau ersetzt, der bis heute erhalten geblieben ist. Lange Zeit war das Milchhäusle ein zentraler Ort im Dorf, denn die alte Landstraße führte direkt daran vorbei. Zweimal täglich, auch sonntags, wurde die Milch abgeholt. Dadurch wurde das Milchhäusle zu einem viel- besuchten Ort und beliebten Treffpunkt für Jung und Alt, sodass es üblich wurde, hier wichtige Termine und Bekanntmachungen auszuhängen. Vor allem den Jugendlichen bot das Abliefern der Milch eine gute Möglichkeit, abends nochmal das Haus zu verlassen, sich mit Freunden zu treffen, Neuigkeiten auszutauschen und erste Liebschaften zu pflegen. In den 50er und 60er Jahren hatte jeder Bauer im Ort Kühe, so kam man in Gerichtstetten auf über 140 Milchablieferer, die hier jeden Tag ihre Milch vorbeibrachten. Die Milch wurde in 40-Liter-Kannen gesammelt, die dann im kalten Wasserbad kühlgestellt wurden. Später wurde ein Milchtank angeschafft. Durch die allmähliche Aufgabe der Milchwirtschaft in den 70er Jahren sank die Zahl der Milchablieferer so stark, dass sich der Betrieb des Milchhäusle nicht mehr lohnte und es 1978 geschlossen wurde. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Milch mit einem Milchtankauto direkt bei den wenigen noch verbliebenen Höfen abgeholt. Doch das alte Milchhäusle ist nach wie vor ein wahres Schmuckstück im Ort und bildete schon oft eine schöne Kulisse für gesellige Dorffeste.
Rechts vom Milchhäusle stand viele Jahre lang die öffentliche Gemeindewaage, die vor allem beim Verkauf von Schweinen oder Kälbern als Viehwaage genutzt wurde. 1998 wurde sie entfernt und in der Nähe des ehemaligen Farrenstalls aufgestellt, wo sie bis heute steht. An dem frei gewordenen Platz wurde ein Brunnen errichtet.
Woher kam und wohin ging die Gerichtstetter Milch?
Kleine Bauern lieferten ca. 4-5 Liter Milch am Tag ab, größere Bauern bis zu 20 Liter. Alle waren bestrebt, möglichst viel Milch abzuliefern, denn das monatliche Milchgeld war neben dem Verkauf von Ernte und Vieh ein sicheres Einkommen. Bei der Milchablieferung wurde die Milch in einen Messbehälter geschüttet, die Menge wurde von einem Messgerät erfasst und durch Betätigen eines Hebels auf die Milchkarte gestempelt. Die Milchsammlerin musste das Geschehen genau beobachten, denn manchmal bediente der Milchablieferer den Hebel schon bevor der Messstab ausgependelt hatte. Was in den Molkereien in Erfeld oder Hardheim übrigblieb, bekamen die Bauern zurück und wurde mit dem nächsten Milchgeld verrechnet – Magermilch als Schweinefutter, Butter und Limburger Käse für die Familie.