Farrenstall | Gasthaus "Zur Krone"
Übersicht der Tafeln im Ortskern
Der Geschichtliche Rundgang Gerichtstetten ist eine interessante Möglichkeit, unseren Ort zu entdecken und zu erleben. Vorbei an 16 Stationen spazieren Sie entlang der Geschichte von Gerichtstetten und erfahren viele interessante Hintergründe über das Arbeiten, Leben und Wohnen in früheren Zeiten. Sie befinden sich hier an der zehnten Station "Farrenstall und Gasthaus Zur Krone".
FARRENSTALL | GASTHAUS "ZUR KRONE"
Bevor in den 1960er Jahren die künstliche Besamung in Deutschland populär wurde, waren die Gemeinden verpflichtet, in sogenannten Farrenställen die entsprechenden Vatertiere vorzuhalten. So konnte im Dorf jederzeit ein gesunder Nachwuchs an Geißen, Schweinen und Kühen garantiert werden. Als die Pflicht zur Vatertierhaltung eingeführt wurde, war es zunächst nicht unüblich, dass die Gemeinde örtliche Bauern mit dieser Aufgabe betraute. Oft ließ sie aber ein eigenes Gebäude bauen, in der die Vatertiere gehalten und vom Farrenwärter versorgt wurden. In Gerichtstetten war die Vatertierhaltung so geregelt: Im Farrenstall wurden ein Bock für die Geißen und vier bis fünf Bullen für die Kühe gehalten, für die Sauen und Stuten hielten zwei Bauern die Vatertiere bereit. Die drei Farrenwärter – Franz Greß, Burkard Müller und Josef Heilig – leisteten viele Jahre lang einen guten Dienst. Einmal im Jahr fand in Eubigheim die Körung statt, bei der ein sachkundiger Richter über die Eignung der Vatertiere entschied. Das war ein großes Schauspiel auf den Straßen: Die Tiere,
die das ganze Jahr über im Stall gestanden hatten, setzten sich nun alle in Bewegung und wurden nach Eubigheim gebracht. Meistens führten zwei Männer ein Tier, das zur Beruhigung mit einem Sack geblendet wurde. Als der Tierarzt mehr und mehr die Besamung der weiblichen Tiere übernahm, wurde der Farrenstall verkauft, bis auf die Grundmauern abgerissen und zur Lagerhalle umgebaut. Ganz in der Nähe steht heute die alte Viehwaage.
Etwas näher an der Erfa befand sich der Dreschplatz. Bevor die Bauern eigene Mähdrescher hatten, brachte Edmund Vogt aus Merchingen einmal jährlich zur Erntezeit seine große Dreschmaschine nach Gerichtstetten. Dann hatten es die Bauern eilig: Mit den Garben auf den Wägen kamen sie direkt nach der Ernte zum Dreschen, denn die Körner und das Stroh wurden dringend für die Tiere im Stall benötigt.
Gegenüber vom alten Dreschplatz befindet sich das ehemalige Gasthaus "Zur Krone". Hauptlehrer Franz Xaver Ganser, der 1845 von Steinsfurt bei Sinsheim nach Gerichtstetten gezogen war, eröffnete die Wirtschaft und führte sie bis zu seinem Tod 1875. Sein Sohn Adolf übernahm den Betrieb, erhielt 1878 das offizielle Schildrecht und erweiterte die Gaststube um einen Tanzsaal. Das Gasthaus befand sich vier Generationen lang in den Händen der Familie Ganser. Nachdem Adolfs Enkel im Zweiten Weltkrieg in Russland gefallen war, führte seine Schwester Anna
den Betrieb mit ihrem Mann Karl Hemberger vom Helmstheimer Hof weiter. Gemeinsam mit Sohn Horst, der ihr Nachfolger wurde, hatten sie immer neue Ideen. Sie bauten einen zweiten Saal an und organisierten regelmäßig Film- und Theatervorführungen. Auch das traditionelle Hammel- essen an Kirchweih war stets gut besucht. Von 2001 bis 2011 haben Pächter die Gaststätte bewirtschaftet, danach verkaufte Familie Hemberger das Gebäude. Heute wird es als Wohnhaus genutzt, doch das Bild mit dem Schriftzug "Zur Krone" an der Seitenwand erinnert weiterhin an die alten Zeiten.
Warum wurde die Erfa auch "Krebsbach" genannt?
Nach dem Bauernkrieg 1525 war der Fisch- und Krebsfang lange Zeit den Ortsherren und ihren Beamten vorbehalten. Überfischung und die aus Amerika eingeschleppte Krebspest hatten die Krebse in den meisten Bächen ausgerottet. Doch ab Mitte des 17. Jh. konnte man in der Erfa wieder Krebse finden. 1837 schrieb der badische Amtsrevisor in Walldürn "Der kleine Bach ist nicht fischreich, enthält aber in guten Jahren Krebse". Bei Tag versteckten sich die Krebse seitlich im Ufer, in der Nacht schwammen sie im Bach auf der Suche nach Nahrung. Wer also in der Erfa Krebse fangen wollte, suchte tagsüber das Ufer ab und spannte nachts Netze auf. Die Krebse sind heute verschwunden, doch viele Gerichtstetter Bürger erinnern sich noch daran, wie sie als Kind nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Krebsen spielten.