Helmstheimer Hof
Übersicht der Tafeln im Ortskern
Der Geschichtliche Rundgang Gerichtstetten ist eine interessante Möglichkeit, unseren Ort zu entdecken und zu erleben. Vorbei an 16 Stationen spazieren Sie entlang der Geschichte von Gerichtstetten und erfahren viele interessante Hintergründe über das Arbeiten, Leben und Wohnen in früheren Zeiten. Sie befinden sich hier an der fünfzehnten Station "Helmstheimer Hof".
HELMSTHEIMER HOF
Grund, ca. 1,3 km von hier – kaufte Anton Trabold aus Hohenstadt. Heute gehört dieser Teil seinem Urenkel, der den Hof als Ackerbaubetrieb führt.
Die Anzahl der einst fast 100 bäuerlichen Betriebe Das ursprüngliche Helmstheim, 1352 noch Helmisheim genannt, war wohl ein eigenes Dorf oder ein kleiner Weiler – davon zeugt jedenfalls der Ortsname, denn die Endung -heim war bereits vor der Ankunft der Franken eine gebräuchliche Bezeichnung für ein Dorf.
Im Jahre 1620 wurde Helmstheim von fünf Hofbauern bewirtschaftet, nach dem Dreißigjährigen Krieg waren es nur noch drei und 1770 wieder vier. Sie unterstanden alle dem Kloster Amorbach. Der Hof war 675 Morgen groß, was heute etwa 220 ha entspricht. Darunter waren auch ca. 30 ha Wald. Zu der Zeit gab es um Gerichtstetten herum drei Flure: die Pülfringer Flur, die Bücher Flur und – zwischen Gerichtstetten und Helmstheim – die Altheimer Flur. Eine Flur bestand aus mehreren kleinen Äckern, so hatte jeder Bauer ein kleines Feld auf jeder Flur. Durch die damalige Dreifelderwirtschaft lag immer eine Flur brach, um sich für die nächste Anbauphase zu erholen. In dieser Zeit wurde sie als Weide genutzt. Die Fruchtfolge war stets dieselbe: Auf die spät geerntete Sommerfrucht, meist Gerste oder Hafer, folgte die Brache und danach die Winterfrucht, etwa Weizen oder Dinkel. Deshalb wurden die Äcker damals für eine Dauer von sechs, neun oder zwölf Jahren verpachtet. Die Kartoffel bildete eine neue Nahrungsgrundlage, so konnte die Landwirtschaft die zunehmende Bevölkerung gut ernähren. Durch den Kleeanbau und die Stallfütterung vereinfachte sich die Tierhaltung, was mehr Fleisch und Milch einbrachte. Mit den größeren Mengen an Stallmist konnten zudem die Felder besser gedüngt werden. Die höheren Erträge aus der Stall- und Feldarbeit verbesserten die Lebensbedingungen vieler Bauern, trotz der abgeschiedenen Lage und dem rauen Klima.
1854 kaufte das inzwischen zum Fürstentum aufgestiegene Haus Löwenstein-Wertheim den Helmstheimer Hof von damals acht verschiedenen Besitzern. Auf dem Hof befanden sich zu diesem Zeit- punkt 18 Gebäude, darunter auch eine Schmiede und eine Schankwirtschaft mit dem Namen "Zum Güldenen Pflug" nebst Brauerei. Der Hof wurde zunächst an die Familie Klein aus Hanau, ab 1879 an die Familie Hemberger aus Osterburken verpachtet. Im Jahr 1902 wurde eine Brennerei errichtet. 1934 verkaufte der Fürst zu Löwenstein- Wertheim den gesamten Hof an einen Fabrikanten aus Frankfurt. Dieser Verkauf wurde wegen des damaligen Reichssiedlungsgesetzes annulliert und so ging der Hof an die Badische Landsiedlung. Diese teilte das Gebiet in einen größeren Hof mit je zwei Sechsteln und vier kleinere Höfe mit je einem Sechstel der Fläche auf. Auf dem Helmstheimer Hof wurden zwei neue Wohnhäuser errichtet. Das größere Wohnhaus und zwei Sechstel Fläche kaufte Julius Hemberger, der 1949 anlässlich des 70-jährigen Bestehens seiner Familie auf dem Hof einen Gedenkbildstock errichten ließ. In der dritten Generation bewirtschaftete Julius gemeinsam mit seinen Brüdern Karl und Edwin ab 1945 den Hof samt Schäferei und Brennerei. Die Landwirtschaft wurde in der Familie bis ins Jahr 2016 weitergeführt. Die Eheleute Monninger aus Gemmingen kauften 1937 die beiden anderen Teile des Hofes, die heute noch im Besitz von ihrer Nachfahrin und deren Mann sind. Einen der kleineren Höfe – den Buchwaldhof, ca. 1 km von hier – kaufte August Benz aus Reichholz- heim, dessen Enkel viele Jahre lang einen Milchviehbetrieb führte und heute Ackerbau und Rindermast betreibt. Den zweiten kleinen Hof – den Hohenstädter ging ab den 50er Jahren stark zurück, wodurch sich auch das Landschaftsbild veränderte. Nach und nach verschwanden die Wiesen und wurden durch Getreide-, Raps- und Maisäcker ersetzt. Manches ist aber auch geblieben, so werden traditionelle Spezialitäten wie der fränkische Grünkern weiterhin angebaut.
Der Grünkern: Arme-Leute-Essen oder Powerkorn?
Schon 1590 beschrieb ein kurpfälzischer Arzt die gesundheitsfördernden Eigenschaften des Grünkerns, unreif geernteter und über Buchenholzfeuer getrockneter Dinkel. Da Grünkern schon Ende Juli eingebracht wird, konnten die Bauern bereits vor möglichen Missernten durch Trockenheit oder Schlechtwetterperioden ein sicheres Einkommen erzielen. Durch das sogenannte Darren wurden die Getreidekörner lagerfähig und bekamen das typische Raucharoma. Die Dorfordnung von 1890 schrieb vor, dass Anlage und Betrieb von Grünkerndarren wegen der starken Rauchentwicklung nur ab einer Entfernung von 100 Metern zum nächsten Haus möglich war. Doch einige der damals ca. 20 Darren im Ort wurden aus praktischen Gründen trotzdem in Wohnhausnähe errichtet. Heute wird die Spezialität aus dem Bauland weit über die Grenzen Deutschlands geschätzt.